Michaelwinkler zu "Zeitungen"
Auszug aus Pranger "Zeitungen"
Zeitungen (14.11.2007)
Endlich einmal etwas, das ich nicht erst mühsam beschreiben muß. Jeder weiß, daß die Tageszeitung ihm am Morgen den Briefkasten verstopft, zahlreiche bunte Werbeeinleger enthält und uns die blaue Tonne zwecks Entsorgung aufgenötigt hat. Zwischen Briefkasten und Entsorgung liegen hauptsächlich die Todesanzeigen. Zugegeben, ich persönlich würde mir keine Tageszeitung halten, schon gar nicht das örtliche Käseblatt Main-Post. Aber da mein Vater bzw. meine Mutter die seit über 50 Jahren bezieht, füllt die auch bei uns die blaue Tonne. Und dazwischen schaue ich nach den Todesanzeigen.
Eines haben alle Tageszeitungen gemeinsam: die Todesanzeigen auf Seite 1. Gut, Anna Adele Mandlikovski, geboren am 16. März 1908, finden Sie da nicht, die wird schamhaft im Innern der Zeitung versteckt. Dafür müssen deren Kinder, Enkel und Urenkel auch noch bezahlen, damit die Zeitung sich herabläßt und diesen Todesfall gnädig erwähnt. Frau Mandlikovski hat ihr Leben lang gearbeitet, war eine nette Frau gewesen und bei ihren Mitmenschen beliebt - was man von den Toten auf Seite 1 nicht behaupten kann.
Für die Toten auf Seite 1 muß niemand bezahlen, es sind fast immer Leute, die seit Jahrzehnten dem Volk auf der Tasche liegen, wirkliche hohe Pensionen bezogen haben und über die jetzt die letzten Lügen verbreitet werden. Auf jener gleichen Seite 1, auf der kürzlich noch die trauerschwangeren Nachrufe auf den verblichenen Übervater der Nation gestanden waren, liest man womöglich nur wenig später die Abrechung mit dem Monster und Verbrecher, das sich jetzt nicht mehr wehren kann und ins Grab hinein verflucht wird.
Heute Hosianna schreien und nächste Woche ans Kreuz mit ihm, kennen wir ja schon aus einem sehr alten Buch. Und, wie man hört, besitzen Angehörige aus jenem alten Volk der Bibel nicht nur Großbanken, die ihren Kunden für nicht gekauftes Silber jahrelang Gebühren abknöpfen, sondern ganze Medienimperien.
Deshalb brauchen wir ja auch unbedingt eine freie Presse. Denken Sie nur an Watergate oder die SPIEGEL-Affäre... Ohne die freie Presse können die Mächtigen dieser Welt machen, was immer sie wollen. Mit der ach so freien Presse allerdings auch, denn jenen investigativen Reporter, der für seine Enthüllungsgeschichte jeden Widerstand überwindet, und jenen Zeitungsverleger, der allen möglichen Anfeindungen zum Trotz die Wahrheit publiziert, gibt es nur noch in schön herausgeputzten Filmen.
Die SPIEGEL-Affäre war 1962, kurz bevor Bundeskanzler Adenauer abgelöst wurde. Und Watergate war 1973, als Präsident Nixon abgelöst werden sollte, weil der Vietnam-Krieg inzwischen mehr Geld kostete, als daran zu verdienen war. Merkwürdig, nicht wahr?
Journalist ist ein sehr begehrter Beruf. Sehr viele Leute träumen davon, ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen zu können, ohne daß die es wagen, sich zu wehren, weil sie sonst von den versammelten Schandmäulern und Schmierfinken in der Zeitung öffentlich angeprangert werden.
Neben diesem Mythos gibt es jedoch den Alltag. Und der sieht weitaus weniger glamourös aus. Gut, bei Lokalereignissen in einem örtlichen Verein kann man vielleicht noch den Drecksack heraushängen lassen, aber sobald ein wenig Macht hinter dem Betroffenen steht, werden die ach so investigativen Journalisten sehr, sehr vorsichtig. Denn für jeden arbeitenden Journalisten gibt es fünf Bewerber, die gerne arbeiten würden, auch für das provinziellste Käseblättchen, Hauptsache es gibt den prestigeträchtigen Presseausweis.
Bei halbwegs wichtigen Ereignissen treten Journalisten im Rudel auf. Wenn also der Herr Ministerpräsident im Rahmen eines Festaktes die erste öffentliche Bedürfnisanstalt in der Fußgängerzone von Nordoosterstedt ihrer Bestimmung übergibt, drängeln sich zwei Dutzend Pressephotographen, acht Radioteams und sechs Fernsehkameras um die besten Aufnahmen. Wer nicht gerade vom ZDF kommt oder schon Wahlwerbung für den Herrn Ministerpräsidenten verfaßt hat, braucht nicht auf ein Exklusivinterview zu hoffen. Der muß das vorgefertigte "Statement" vom ökologischen Fortschritt mit menschlichem Antlitz abdrucken, das ihm der Pressereferent nach der höchstministeriellen Erleichterung aushändigt.
Der Normal-Journalist bekommt ein Thema vorgesetzt, das er in 38 Zeilen zu maximal 62 Anschlägen erschöpfend bearbeiten muß, ohne wichtige Anzeigekunden zu verschrecken und ohne sich dabei mit Staat, Kirche, Migrantenverbänden und Zentralräten anzulegen. Dieser Text wird dann vom Chefredakteur gegengelesen und bei Bedarf so freizügig wie unflätig kritisiert. Denn der Chefredakteur hat einen wunderbaren Posten, bei dem er eine ganze Bande unterwürfiger Journalisten nach Lust und Laune schikanieren kann.
Warum er das kann? Weil die Damen und Herren Journalisten ihren Job behalten wollen und deshalb lieber auf die eigene Meinung und ihre Unabhängigkeit verzichten als auf ihren Gehaltsscheck. Warum er das tut? Weil auch der Herr Chefredakteur seinen Job behalten möchte und er deswegen seit Jahrzehnten auf seine eigene Meinung und seine Unabhängigkeit verzichtet hat, aber eben nicht auf seinen Gehaltsscheck.
Auch der Chefredakteur hat einen Chef über sich, der ihn jederzeit feuern kann. Dieser Chef ist entweder der Geschäftsführer oder der Eigentümer der Zeitung. Jedenfalls ist das jemand, der Rücksicht zu Gunsten des Geschäfts nimmt. Eine Zeitung braucht Abonnenten und Käufer, deshalb stehen darin Artikel, die den Abonnenten und Käufern gefallen. Aber die Zeitung möchte Anzeigen veröffentlichen, deswegen werden die Anzeigenkunden tunlichst geschont und bestenfalls ganz milde kritisiert. Außerdem möchte die Zeitung weiterhin Exklusiv-Interviews mit der Frau Dr. Oberbürgermeisterin führen dürfen, also wird sie die Frau Dr. Oberbürgermeisterin ebenfalls nur ganz sachte kritisieren.
Das heißt, der oberste Zeitungsgewaltige bestimmt, was im Blatt wie zu stehen hat. Und wenn dieser oberste Zeitungsgewaltige mit der bedrängten hochgerüsteten Atommacht Israel sympathisiert, hat eben jeder Mitarbeiter im Springer-Verlag in seinem Arbeitsvertrag stehen, daß er Israel positiv darzustellen habe.
Ja, früher war das ein bißchen anders. So war DER SPIEGEL bis in die 70er Jahre hinein das linksintellektuelle Kampfblatt, eine BILD-Zeitung für Sozialliberale, deren Mitarbeiter versuchen, mit dem Florett zu argumentieren, wo das Original die Streitaxt benutzt.
Heute besteht zwischen den Zeitungen und Zeitschriften im Land eine ähnliche Bandbreite wie in der Politik, wo wir Parteien der konservativen Mitte, der sozialen Mitte, der christlichen Mitte, der liberalen Mitte, der ökologischen Mitte und der linken Mitte vorfinden. Ganz grob lassen sich die Medien heute in "Sehr gut, Frau Bundeskanzlerin"-Blätter und in "Hervorragend, Frau Bundeskanzlerin"-Blätter unterteilen. Allerdings sind die Grenzen fließend und hin und wieder wechseln Zeitungen schon mal das Lager.
Ein kritisches Hinterfragen der Regierungspolitik findet nicht mehr statt. Sämtliche Zeitungen beziehen Ihre Nachrichten von den großen Presseagenturen Reuters und dpa, daraus entstehen austauschbare Artikel. Höchstens der Umfang - die BILD beschränkt sich auf 800 Anschläge, wo der Kollege vom SPIEGEL den Leser mit 20.000 Anschlägen unterhalten darf.
Erinnern Sie sich an den betrunkenen "Deutsch"-Äthiopier, der eine Schlägerei angezettelt hatte? In trauter Einheitlichkeit prügelte die gesamte Presse auf die "Täter" ein, sprach von "Ausländerfeindlichkeit" und sparte auch nicht mit den üblichen Vergleichen mit der Nazi-Zeit oder dem Schreckgespenst der neu aufblühenden Rechtsradikalität. Nachdem diese Sau wochenlang durch den Blätterwald getrieben worden war, erwiesen sich alle Anklagepunkte gegen die nunmehr nur noch "Verdächtigen" als haltlos und das Thema wurde still und heimlich beerdigt. Die Feststellung, daß kein fremdenfeindlicher Akt vorgelegen und man sich völlig vergaloppiert hatte, war den Blättern kein Gramm Druckerschwärze wert.
Die schiere Anzahl der Blätter spiegelt eine Meinungsvielfalt vor, die sich bei genauerem Hinsehen jedoch schnell als Meinungseinfalt entpuppt. Die Medien sind nicht etwa gleichgeschaltet, denn das würde ja eine konzertierte Aktion erfordern. Und wie wir aus den Medien wissen, gibt es eine solche Aktion, wie sie uns die vollständig gefälschten "Protokolle der Weisen von Zion" einreden wollen, natürlich nicht.
Die Gleichschaltung erfolgt dadurch, daß alle Zeitungen und ihre Verlage in erster Linie nicht mehr idealistische Beobachter und Kommentatoren der Ereignisse
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