Dank und Nachfrage von Stefan
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Sehr geehrter Dr. Martin!
Zuerst einmal vielen Dank für ihre sehr ausführliche Antwort!
Ich wage mal zu behaupten, dass ich die Funktionsweise des modernen Staates jetzt verstehe. In mancherlei Hinsicht aber geht mir entweder der Knopf im Hirn nicht auf, oder aber wir reden aneinander vorbei (sie: historisch/rational, ich: was-wäre-wenn-Utopien).
So weit ich das auch in ihrem Buch verstanden habe, war das Kopf-Geld nach der Währungsreform 1948 ebenfalls durch eine Schuld entstanden (Staatsanleihen hinterlegt gegen Zentralbankgeld). Daher gehe ich richtig in der Annahme, dass diese ursprüngliche Schuld nicht einmal theoretisch getilgt werden konnte, denn selbst wenn der Staat damals die Steuern auf 100% gesetzt hätte, hätte der Zins für diese Banknoten nach wie vor gefehlt. Daher ist auch hier ersichtlich, dass der Staat eigentlich schon allein aufgrund des Zinseszinses zur exponentiellen Aufschuldung (und letztendlich Staatsbankrott) verdammt war: Von Anfang an! Hab ich das richtig erfasst?
Nun möchte ich das Thema ganz naiv aufziehen, um es besser begreifen zu können. Lassen wir alle historischen Entwicklungen und internationalen Vereinbarunen außen vor.
Wo liegt mein Denkfehler:
Ich übernehme ein Land wie Deutschland 1948. Ich schaffe die Notenbank ab, drucke pro Kopf 40 DM netto (so als würde ich sie daheim am Drucker drucken und beim Fenster rauswerfen) und verteile es. Alle meine Vorfinanzierungskosten (Beamte, Militär, etc., --Druckermaschine ist noch von der Vorgänger-Regierung vorhanden, Papier und Tinte auch) drucke ich im ersten Monat schlichtweg netto. Es gäbe absout keinen Unterschied zu damaligen Situation, außer dem, dass ich als Staat keine Schulden habe. Ich verteile also das Geld und erkläre es zum offiziellen Zahlungsmittel um im zweiten Monat Steuern einzutreiben. Warum sollte das nicht funktionieren? Oder aber ich finanziere mich vor und drucke die Vorfinanzierungskosten einfach netto nach..kommt aufs selbe hinaus.
Ich bin also jetzt ein unverschuldeter Staat. Es gibt für mich keinen Zwang zur Aufschuldung und ich habe nicht vor mich zu verschulden. Ich weiß zwar, dass sie jetzt irgendeinen Einwand vorbringen werden, aber wenn wir nur mal annehmen, dass das funktioniert. Kommt es dann dennoch zu einem Punkt der exponentiellen Aufschuldung (mit anschließenden deflationären Kollaps)? Wo beginnt es? Hat es mit dem Abgabenzwang (Steuer) zu tun? Hat es mit dem ersten Kapitalisten zu tun, der sich nicht mit dem (jetzt-noch)-Tausch dieses netto-Geldes gegen Waren zufrieden gibt, sondern etwas großes aufbauen will, dass er vorfinanzieren muss? Hat es mit der ersten Kreditaufnahme zu tun (weil Ernte schlecht z.B.). Das ist für mich irgendwie die unüberwindbare gedankliche Hürde.
Sie sehen als Alternative zum Staat nur solidarische Stammes-Gesellschaften? Was halten sie von anarcho-kapitalistischen Überlegungen?
Und wenn der Anarcho-Kapitalismus realisierbar wäre, gibt es in so einem System eine exponentiell wachsenden Schuldenmenge (mit deflationären Kollaps)?
Warum loben Sie den Kapitalismus als bestes System, verachten gleichzeitig den Staat und sagen dann völlig konträr, dass der Kapitalismus ohne (verschuldeten?)Staat nicht denkbar ist?
Sie haben auf meinen Vorschlag gegen die Deflation mit netto-Geld (Notenpresse bzw. Scheidegeld) geschrieben:
"Die Ausgabe von Scheidemünzen (ganz richtig als Nettogeld bezeichnet) ist aus naheliegenden Gründen limitiert. Sie sind Staatsmetallgeld, für das dasselbe gilt wie für Staatspapiergeld (Münzpresse = hier gleich Notenpresse): Es endet und verschwindet in einer Hyperinflation. Vgl. dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Seigniorage"
Geht es hier nur rein um den psychologischen Faktor der Masse, dass sobald ruchbar wird, dass der Staat netto-Geld druckt, eine Flucht aus der Währung stattfindet? Denn anders kann ich mir das nicht erklären, denn würde ich netto-Geld drucken und im Volk verteilen, würden das Volk in der Deflation seine Schulden damit bezahlen (=keine Inflation). Sobald die gröbsten Schulden (oder alle)getilgt sind, stoppe ich die Druckerpresse einfach und die Wirtschaft darf wieder brummen.
Eine andere Erklärung, die ich für mich gefunden habe ist, dass Geld seinen Wert nur durch die dahinterliegende Schuld erhält...würde ich alle Schulden mit netto-geld tilgen, würde alles Geld aus vorherigen Verschuldungen plötzlich netto vorliegen...ist das des Pudels Kern und wenn ja, würden ich den genauen Grund gerne erklärt bekommen? Warum wär das Geld ohne dahinterliegender Schuld wertlos, wenn es doch den Abgabenzwang gibt?
Vielen Dank im Voraus für ihre Mühe und sorry für meine Hartnäckigkeit. Ich weiß einfach instinktiv, dass der Debitismus der Weisheit letzter Schluss ist und drum will ich es unbedingt verstehen
Lg
Stefan
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- Fragen an dottore zum Buch "Der Kapitalismus..." / Leserzuschrift -
Chef.,
02.02.2009, 19:18
- Lieber Stephan, höre auf in Geldmengen zu denken! Das ist nämlich Dein Problem. - Theo Stuss, 02.02.2009, 19:36
- Antwort -
dottore,
03.02.2009, 13:30
- Vielen Dank, dass kommt in die Sammlung. (oT) - Moderator, 03.02.2009, 16:27
- Dank und Nachfrage von Stefan -
Chef.,
04.02.2009, 13:03
- die Antwort von dottore... - Moderator, 06.02.2009, 12:55