Widerspruch
Selbst unsere Bauern werden alle nach kurzer Zeit verhungern, weil sie
ihre Produktion ebenfalls in Arbeitsteilung betreiben.
Klar. Und wer verbietet ihnen, bei der Arbeitsteilung zu bleiben?
Heute legt ein 50Cent China-Bauteil (Zapfwellen-Schutzschalter) einen 85.000 Euro Trecker lahm und es braucht eine Computerdiagnose um den Fehler überhaupt lokalisieren zu können da alles per Bussystem vernetzt ist, vorbei die Zeiten der 12V Fehlersuchlampe.
Gerne auch mal eine korrodierte Löschdiode am Ende vom CAN.
Woher bekommt der Landmaschinentechniker des Bauern das Diagnosegerät im GO ?
Der Hersteller sitzt in den USA, kauft die Einzelteile der Hardware wohl in China wogegen die Software vermutlich in Indien entwickelt wird.
Woher bekommt der Landmaschinentechniker die 1N4007 Diode ?
Die wickelt man sich nicht selber am Werkstatttisch.
Die Software mit der ein Bauer seine Kühe managt läuft heute über ein Gateway in Holland. Fütterung, Melkanlage, Aktivitätserkennung schicken ihre Daten per Internet an einen Zentralserver und Farmverwalter Otto kann von seinem Urlaubsdomizil in Haiti per Smartphone abfragen ob seine polnischen Melker auch ordentlich arbeiten.
Er sieht dies nicht nur an der gemolkenen Menge sondern auch an den Keimzahlen der Milch und gegen eine kleine Lizenzgebühr kann man noch beliebig viele IP-Kameras zur Überwachung der Arbeitssklaven und gerade gebärender Kühe in das System integrieren.
Kein umständliches VPN, kein Dyn-DNS, keine Konfiguration, keine Updates auf CD mehr erforderlich da serverbasiert.
Was wenn die Melkanlage ausfällt da der Vakuumerzeuger defekt ist (made in Norddeutschland), die Zitzengummis rissig (made in China), der Geber einer Milchmengenmessung Dauerkontakt gibt (made in NL) oder schlichtweg das Internet nicht mehr will oder "darf" ?
Schon mal eine Kuh händisch gemolken ?
Gar nicht so trivial wie es aussieht, zeitaufwändig und bei so manchen Betriebsgrößen (besonders im Osten) ist es wohl im GO das Beste der Herdenmanager schnappt sich eine Pistole und erschießt gleich mal 90% aller Kühe beginnend bei denen mit der schlechteren Genetik.
Manuell nicht zu bewältigen, auch nicht mit 100 Leuten die man zuerst einmal anlernen muss, derweil platzen den Kühen die Euter.
Das Futter für die Kühe kommt natürlich nicht per Sense und Schiebetruhe zum Futtertisch sondern per Traktor (s.o.) zur zentralen Mischanlage und von dort etwa per Mischwagen oder computergesteuerter Bandfütterung (heutzutage technisch durchaus komplexe Geräte) zur Kuh.
Kleines Video dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=m3qGcWiesEs
Arbeitsteilung ist heute eben komplexer als "ich die Kühe, du die Schweine" und ohne reichlich Material und Know-how aus aller Welt steht auch die Landwirtschaft.
Das Thema Saatgut, Herbizide etc. habe ich hierbei noch nicht einmal angedacht.... !
Die einfachen Techniken eines 18 Jahrhunderts oder einer Landwirtschaft nach dem GO brauchen übrigens prinzipiell keine Arbeitsteilung.
Tiere füttern, Besen binden, Holz hacken und Heu rechen sind Tätigkeiten welche keine externen Dienstleister benötigen.
Die dazu benötigten einfachen Werkzeuge werden traditionell im Winter gefertigt.
Einfache Tätigkeiten, es reicht kräftig und nicht all zu doof zu sein, zusätzliche Arbeitskräfte braucht man nur wenn die Betriebsgröße über den Eigenbedarf hinaus steigern will.
Stellt sich die Frage wozu man dies nach dem G.O. tun soll ?
Schrott wird genügend rumliegen, die Dinge die man bräuchte werden nicht mehr erhältlich sein und die potentiellen Kunden werden außer ihrer Arbeitskraft wenig einzutauschen haben.
Was soll ich mit der Poolpumpe oder dem 42" Plasma, einem Benz oder Ceran-Kochfeld ?
Der durchschnittliche Eigenheimbesitzer hat keine im GO brauchbaren Tauschwerte außer eventuell PM.
Da brauche ich auch keine "externen Dienstleister" oder ehemalige Bürokräfte, Banker und Rechtsanwälte aus der nächsten Stadt als Knechte, dazu habe ich notfalls meine Verwandten, die kenne ich wenigstens, haben alle etwas solides gelernt oder studiert (keine "Südamerikanistik" etc.) und Blut ist dicker als Wasser.
Viele Besucher bedeutet viele Leute.
Viele Leute können auch zusammenarbeiten.
Ein mittlerer Bauernhof nach heutigen Größenverhältnissen kann ohne
weiteres 50-100 Leute ernähren; genau so viele benötigt es aber auch, um
ihn zu bewirtschaften, ohne Maschinen und Erdöl.
Keine guten Aussichten für Transferleistungsempfänger und
Teamunfähige.
Hier exemplarisch die Stammbelegschaft eines auch für heutige Verhältnisse mittleren Hofes im späten 18 Jahrhundert.
Interessant die Geschlechterverteilung unter den Bediensteten links und rechts vom Hausherren (in Reitstiefeln)
Rechts (vermutlich): Rossknecht und Stallknecht
Links (vermutlich): Ehefrau (*), Köchin, Stalldirnen sowie entweder Vorgeneration oder Dirn im Ruhestand (nicht zu verwechseln mit der heutigen Definition !)
Alle saisonal anfallenden Mehrarbeiten (Dreschen) wurden mit Hilfskräften (den sogenannten "Häuslleitn") durchgeführt, meistens die Männer wogegen die bediensteten Frauen in der Überzahl waren, das Anlegen der Lebensmittelvorräte für den Winter war eine der wichtigsten und zeitintensivsten Tätigkeiten neben der Hege der Tiere und des Gartens.
Da wurden also keine hundert Arbeiter das ganze Jahr durchgefüttert, wozu auch ?
Das Bild mag uns heute armselig erscheinen doch für damalige Zeiten war dies ein vermögendes Gehöft, hatte schon Dachrinnen und ein Ziegeldach sowie 2 Pferde welche exklusiv nur dem persönlichen Transport des Hausherrn (vor allem zur Sonntagskirche) dienten.
Der "Durchschnittsbürger" ackerte dazumals noch mit einer Kuh ... wenn er sich Kuh und Acker leisten konnte, wohlhabendere Bauern hatten einen oder mehrere schwere Ackergäule und nur vermögende Betriebe konnten sich reine Zug- und Reittiere leisten.
Flache soziale Hierarchie, Pfarrer und Bürgermeister, darunter erfolgte die Regelung wer den Hut abzunehmen hat um sein Haupt zu entblößen entsprechend der Größe der Grundstücke.
(*) Anmerkung zur Ehefrau:
Dazumal Verschleißteil, hatte Kinder zu gebären und die Küchenkräfte zu managen, der Hausherr im Bild verbrauchte lt. Chronik 4 Stk. Ein Bild der letzten Ehefrau ist überliefert, früher wurde übrigens "in Schwarz" geheiratet.
Schwarz sehe ich aber vor allem für diejenigen, die sich mit ihrer Flinte
und ihren Kolossern zurückziehen ins oberste Kämmerchen ihres Gehöfts
und vom Dachboden aus auf alles anlegen, was sich rundum bewegt in
Sichtweite.
Hinweis da auf dem Bild schön ersichtlich.
Alle Fenster sind vergittert wie damals bei allen Höfen in meiner Region üblich und dies nicht weil Eisen ein billiges Massenprodukt war.
Im Gegenteil, die Eisenbeschläge für einen (Pferde)Wagen konnten den Reingewinn eines ganzen Jahres auffressen.
Also eine hohe Investition trotz der lokal friedlichen Zeiten in der Monarchie und die Leute die es sich leisten konnten wußten wieso.
Die ältesten Höfe der Region waren in ihren Ursprüngen übrigens alle sogenannte Wehrhöfe, im dunkelstem Mittelalter aus Holz ähnlich US-Western Forts, später aus Stein und gestampften Ziegeln, gelegentlich noch zu sehen die Andeutungen von Wachtürmen und Pechnasen.
Alles Tiere (der wertvollste Besitz dazumal) waren im Gebäude untergebracht, genauso wie Brunnen, die Ernte aber auch der Misthaufen (im Innenhof)
Vor allem wegen der "Besucher" von denen viele nach hofübergreifender Zusammenarbeit unter provisorischen Holzkreuzen im letzten Winkel des Grundstückes verscharrt verschwanden da es unehrenhaft gewesen wäre sie auf dem Gottesacker zu bestatten.
Hier ist meines, der Legende nach ein Dutzend versprengte franz. Soldaten der Franzosenkriege welche der Versuch "proletarisch einzukaufen" bedauerlicherweise auf den Hof meiner Vorfahren führte.
Ich gehe davon aus, es wurde nicht lange nach etwaigen Hintergründen wie schwieriger Kindheit etc. gefragt
mfG
offthspc
P.S.: ,,,,,,, für den Chef, Rechtschreibfehler darf er um diese Uhrzeit ebenfalls vollumfänglich behalten.
gesamter Thread:
- Neues von der Finca Bayano -
Cascabel,
01.08.2011, 04:39
- Wie man auf den Bildern schön sehen kann und (mT) -
DT,
01.08.2011, 11:20
- Was ist der Sinn Deines Beitrags? (oT) -
RogRog,
01.08.2011, 12:22
- Ganz einfach! Psalm 37, 3, aufgegriffen u.a. auch von Johann Wolfgang von mLmkT - day-trader, 01.08.2011, 12:48
- Danke, DT, für diese wertvollen Ausführungen! - Simsalabim, 01.08.2011, 13:06
- Die Bevölkerungsdichte in D ist viel zu hoch -
Morpheus,
01.08.2011, 13:54
- Besuch von wem? -
Mephistopheles,
01.08.2011, 17:35
- Landwirtschaft in Deutschland 2011 - Morpheus, 01.08.2011, 23:08
- Widerspruch -
offthspc,
01.08.2011, 23:11
- Hallo offthspc, was für ein fantastischer Bericht (mkT) - DT, 01.08.2011, 23:45
- Vielen Dank, in die Richtung geht's wieder, wenn auch diesmal anders. (oT) - inno, 01.08.2011, 23:54
- Hier ist ein Bericht aus dem Jahre 2009 über zwei Dörfer an der hess.-thüring. Grenze. Dort sieht man (mT) - DT, 02.08.2011, 00:22
- Besuch von wem? -
Mephistopheles,
01.08.2011, 17:35
- ich denke, es hängt auch vom Alter ab...... -
ottoasta,
01.08.2011, 15:42
- Alter, Geldbeutel, Familienstand, Umfeld, Krisenangst, - lowkatmai, 01.08.2011, 16:17
- Hallo Otto, das ist genau was ich meine (mT) -
DT,
01.08.2011, 17:05
- Hallo, @DT -
Puschkin,
01.08.2011, 17:59
- Hallo Puschkin, das Brueghel Bild zeigt, daß schon 1550 (mT) - DT, 01.08.2011, 18:49
- Hallo, @DT -
Puschkin,
01.08.2011, 17:59
- Was ist der Sinn Deines Beitrags? (oT) -
RogRog,
01.08.2011, 12:22
- Deutschland ist eines der besten Länder Europas... -
Prosciutto,
01.08.2011, 17:13
- Hallo Prosciutto, genau darum geht es, in welchem Land Europas ist Selbstversorgung (mT) -
DT,
01.08.2011, 17:22
- Am regenreichsten sind Portugal und Nordspanien -
Dieter,
01.08.2011, 17:46
- ein Bilderbuch zum Norden Portugals - Dieter, 02.08.2011, 00:59
- Am regenreichsten sind Portugal und Nordspanien -
Dieter,
01.08.2011, 17:46
- Hallo Prosciutto, genau darum geht es, in welchem Land Europas ist Selbstversorgung (mT) -
DT,
01.08.2011, 17:22
- @Cascabel, viel Handarbeit -
Dieter,
01.08.2011, 17:54
- Antwort -
Cascabel,
01.08.2011, 18:29
- Hätt ich auch so gemacht - Dieter, 01.08.2011, 21:30
- Überall auf dem Planeten das Gleiche! mT -
day-trader,
01.08.2011, 18:30
- Ein vorzüglicher und weitsichtiger Beitrag war das damals von Dir, day-trader - Chapeau! (oT) -
Zarathustra,
01.08.2011, 20:37
- Na na.... mT -
day-trader,
02.08.2011, 04:18
- Missverständnis, @day-trader -
Zarathustra,
02.08.2011, 11:04
- Ok! mkT - day-trader, 02.08.2011, 23:52
- Missverständnis, @day-trader -
Zarathustra,
02.08.2011, 11:04
- Na na.... mT -
day-trader,
02.08.2011, 04:18
- Wie wäre es denn mit Chile? -
Simsalabim,
01.08.2011, 23:06
- Aufenthaltsgenehmigung mT - day-trader, 02.08.2011, 04:35
- Warum nicht Neuseeland statt Chile/Paraguay (Panama)? - Wayne Schlegel, 03.08.2011, 00:12
- 4 AKWs auf der Südhalbkugel, bald eventuell viele weitere - Günter, 03.08.2011, 10:35
- Ein vorzüglicher und weitsichtiger Beitrag war das damals von Dir, day-trader - Chapeau! (oT) -
Zarathustra,
01.08.2011, 20:37
- Antwort -
Cascabel,
01.08.2011, 18:29
- Wie man auf den Bildern schön sehen kann und (mT) -
DT,
01.08.2011, 11:20