Allg. Frage zum Thema Automobil-Industrie und Kreditkrise (mvT)
Hallo liebe Board-Gemeinschaft!
Die deutsche Automobilindustrie (die heiss geliebte und viel gescholtene) in ein paar Zahlen:
Eine dreiviertel Mio. direkt beschäftigter Menschen, dazu nochmal über 300.000 bei der Zuliefer-Industrie.
In 2006 wurden 3,5 Mio. neue Fahrzeuge in D. zugelassen (natürlich nicht nur deutsche...)
Wikipedia schreibt was von "...herausragender Bedeutung in der deutschen Volkswirtschaft"
Na schön. Kennen wir, alter Hut.
Aus Sicht von Lieschen Müller sieht die Thematik i.d.R. folgendermaßen aus:
Automobilhersteller zu sein, heisst, folgende Fragestellung möglichst gut zu beantworten:
Auf welchen Märkten können welche Fahrzeuge in welchen Stückzahlen zu welchem Preis verkauft werden?
Und mit der jeweiligen Rendite-Vorgabe ergibt sich daraus mittels simpler betriebswirtschaftlicher Kalkulation, wieviel Entwicklung, Fertigung, Marketing etc. kosten dürfen, um den Business-Case zu erfüllen.
Und wenn der Hersteller dann alles richtig macht und die Kunden ebenso (also brav die Autos kaufen), brummt der Laden und alle sind glücklich.
So weit, so gut - ABER:
Autos werden ja nicht gekauft (so wie auf dem Wochenmarkt Obst und Gemüse gekauft wird), sondern Autos werden in erster Linie kreditfinanziert oder geleast; dies gilt sowohl für die Produkte der Volumenhersteller (siehe zig Varianten an Finanzierungsangeboten), als auch für die Premiumhersteller (einige Luxus-Fahrzeug-Typen erreichen in Deutschland mittlerweile einen Leasing-Anteil von 98%!!!). Und wer die Geschäftberichte von Automobilherstellern aufmerksam liest, kommt irgendwann an die Stelle, an der über die hersteller-eigene Bank berichtet wird, und irgendwo steht dann auch so was wie: "bla bla...mittels marktüblicher derivater Finanzinstrumente...bla bla...".
Kein Auto-Hersteller kann aber 36 Monate oder länger darauf warten, bis die Kunden ihre Fahrzeuge endlich abgestottert haben. Der "bezahlte" Preis muß nach Vertragsschluß sofort auf's Hersteller-Konto, ohne wenn und aber. Geld gibt's aber (letztlich) nur, wenn die Kredit- und Leasing-Verträge gebündelt durch Verbriefung an den Kapitalmarkt weitergereicht werden können (ach so, DAS meinten die also mit den derivaten Finanzinstrumenten). Dies ist in der Tat die wesentliche Aufgabe der Auto-Banken; dafür sorgen, daß tatsächlich Cash hereinkommt (von den Kunden kommt ja nix!!!). Wer den Auto-Markt kennt, der weiss, daß sich die Hersteller in zunehmendem Maße gegenseitig unterbieten mit niedrigen Leasing-/Finanzierung-Raten. Na klar, solange man Kreditforderungen elegant am Kapitalmarkt loswerden kann, ist's doch eh wurscht...
Das heisst also, daß sich für einen Fahrzeug-Hersteller im wesentlichen nur eine Frage stellt:
Nicht: Wieviele Autos kann ich verkaufen?
Sondern: Wie aufnahmefähig ist der Finanzmarkt für meine(mittels "Autoverkäufen" produzierten) verbrieften Kredite?
Unendlich, nehme ich mal an - denn sonst wären ja die angekündigten Steigerungen der Absatzzahlen aller Hersteller für die nächsten Jahre kaum machbar...
Aber wo landen die verbrieften Autokredite? In Fonds? Werden die dann dem braven Lieschen Müller vom netten Banker angeboten? "Den neuen Audi können Sie ja finanzieren oder leasen - damit bleiben Sie flexibel mit Ihren Ersparnissen. Ich habe hier übrigens ein ganz tolles Fond-Angebot...".
Irgendwann ist also jeder (Auto-Kredit-)Schuldner sein eigener Gläubiger???
Oder wird die Notenbank in Zukunft auch Auto-Kredite diskontieren (natürlich nur von Premium-Herstellern, Qualität muß schon sein...)?
Ach ja: Wie ist das eigentlich mit der Besicherung von Autokrediten?
Die "Wertentwicklung" eines PKWs gleicht dem Abwurf einer Fliegerbombe - es geht nur nach unten und am Ende wird der Wert in kg Stahlschrott ausgedrückt! Autos sind üblicherweise keine Assets - sondern schlicht und ergreifend sehr teure Konsumartikel (Mittel zum Zweck eher selten). Wirklich Wertvoll sind sie nur, solange sie irgendwo buchhalterisch geführt werden und natürlich im guten alten "Schwacke" - aber dieses Buch taugt bestenfalls als Grimm-Ersatz zum abendlichen Vorlesen für die Kinder.
In der Welt der Erwachsenen läuft das aber eher so: Ein typischer Leasing-Rückläufer wird heute üblicherweise mit einem rein buchhalterischen Restwert taxiert und (in Ermangelung eines Käufers, der verückt und/oder solvent genug wäre, diesen Preis zu bezahlen) entweder dem Leasing-Kunden auf's Auge gedrückt (wenn der sich standhaft verweigert, dann gibt's eben 'ne fette Nachzahlung wegen Mängel) oder verbleibt als bleischwerer Ladenhüter beim Händler oder wird (die Knüllervariante schlechthin) gleich nochmals verleast - ja,ja, Gebrauchtwagen-Leasing ist stark im kommen! Eines ist gewiss: Wer am Ende das Auto in Händen hält, hat den schwarzen Peter (egal, ob Kunde oder Händler). Komisch eigentlich, wo das tolle Auto doch mal eine Menge Geld gekostet hat!?!?
Die einzig seriöse Einschätzung zum wahren Wert eines Autos kommt allenfalls von denen, welche im Ruf stehen, besonders unseriös zu sein: Die Fähnchenhändler auf dem Kiesparkplatz. DIE kennen den feinen Unterschied zwischen Angebotspreis (buchhalterische Fantasiewelt) und Verkaufpreis (realer Markt)...
Eines kann ich jedenfalls sehen: Zunehmendes krepieren von Autohändlern und Auto-Leasing-Gesellschaften und immer abstrusere Methoden des Auto-"Verkaufs".
Was mich nun interessieren würde: Droht hier der Automobil-Branche in absehbarer Zeit (im Zuge der Kreditkrise) richtig großes Ungemach? Keine Autokredite mehr = keine Autoverkäufe mehr? Oder alles halb so wild?
Insbesondere ein Aspekt ist mir nicht ganz klar:
Derzeit ist es so, daß die Hersteller bei Markteinbrüchen z.B. in Deutschland auf "neue Wachstumsmärkte" verweisen (Asien usw.). Aber auch auf diesen Märkten ist es nun einmal so, daß die Kunden die Fahrzeuge in erster Linie finanzieren oder leasen. Und der Finanzmarkt, an den die Kredite weitergereicht werden, ist doch nicht der jeweilige ("neue") nationale Markt, sondern eben der globale Finanzmarkt - oder sehe ich das falsch? Was also bringen neue Absatz-Märkte im Bezug auf die Möglichkeit, zusätzliche verbriefte Kredite platzieren zu können?
Viele Grüße von
Lex, dem Autohändler
(der die Welt immer weniger versteht...)
gesamter Thread:
- Allg. Frage zum Thema Automobil-Industrie und Kreditkrise (mvT) -
Lex Mercatoria,
14.12.2007, 08:45
- Fallbeispiel -
QuerDenker,
14.12.2007, 12:12
- Fallbeispiel -
Lex Mercatoria,
14.12.2007, 13:46
- ... na wer ist's denn jetzt? -
CaptainB,
14.12.2007, 23:53
- Noch ein Tip und zur 'Systemkrise' -
QuerDenker,
15.12.2007, 03:31
- Danke für den Tip... -
Lex Mercatoria,
15.12.2007, 05:35
- Andere Branchen - Gleiches Spiel -- ABS vs. ALB :) -
QuerDenker,
16.12.2007, 04:47
- Auto-Loans -
dottore,
16.12.2007, 10:10
- @dottore: DANKE ! - owT - QuerDenker, 17.12.2007, 03:05
- Auto-Loans -
dottore,
16.12.2007, 10:10
- Andere Branchen - Gleiches Spiel -- ABS vs. ALB :) -
QuerDenker,
16.12.2007, 04:47
- Danke für den Tip... -
Lex Mercatoria,
15.12.2007, 05:35
- Noch ein Tip und zur 'Systemkrise' -
QuerDenker,
15.12.2007, 03:31
- ... na wer ist's denn jetzt? -
CaptainB,
14.12.2007, 23:53
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Lex Mercatoria,
14.12.2007, 13:46
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QuerDenker,
14.12.2007, 12:12