von Schuldnern letzter Hand
Hi Miesepeter,
erstmal danke für Dein Posting. Da sprichst Du interessante Punkte an.
moechte hierzu kurz auf zwei komplementaere Dinge hinweisen:
SZR
Mit den Sonderziehungsrechten des IWF (werden von den Notenbanken als
Waehrungsreserven gebucht) gibt es eine Art Reservewaehrung, welche bereits
heute anstandslos aktiv gebucht wird, die dem Vollgeldkonzept sehr nahe
kommt. Gebucht wird praktisch Kasse/Banknotenumlauf.
Von der IWF-Webseite
The SDR is neither a currency, nor a claim on the IMF. Rather, it is a
potential claim on the freely usable currencies of IMF members.
Holders of SDRs can obtain these currencies in exchange for their SDRs in
two ways: first, through the arrangement of voluntary exchanges between
members; and second, by the IMF designating members with strong external
positions to purchase SDRs from members with weak external positions.
Geld auf Ratsbeschluss, davon wird man noch mehr hoeren.
Ja, sehr wahrscheinlich. Man hat offensichtlich schon 1944 in Bretton Woods gesehen, daß früher oder später internationale "Lender of Last Resorts" benötigt werden könnten. Der Bedarf nach immer größeren und potenteren "Schuldnern letzter Hand", wie ich das lieber nennen möchte, ist in dem Maß gewachsen, in dem die Globalisierung des Marktes vorangeschritten ist; und in dem Maß, in dem Finanzkrisenkrisen ausgeblieben sind bzw. durch Staatsausgaben verhindert wurden.
Es liegt in der Natur der Sache, daß alle Staaten an großen, potenten "Schuldnern letzter Hand" interessiert sind, die auch noch bereit sind, diese Rolle zu übernehmen, aber im eigenen Interesse natürlich selbst nicht unbedingt diese Rolle übernehmen möchten. Deswegen schielt jetzt natürlich die ganze Welt auf Europa und speziell auf die starken Wirtschaften Europas, speziell Deutschland, und drängt mit allen Mitteln darauf, daß diese sich doch bereitfinden mögen, einen "Mega-Schuldner of Last Resort" bereitzustellen, der die Weltwirtschaft stabilisieren und den anderen Staaten gleichzeitig die Kosten dafür abnehmen soll. Deswegen hat man natürlich international den "Rettungsfonds" (den man diplomatischerweise natürlich nicht "Marktaushebelungsfonds" nennen kann " /> ) freudig begrüßt.
Daß auch der IWF in diesem Prozess eine Rolle spielt, ist klar.
Bewertungen von Aktivposten
Staatsaneihen von Pleitestaaten, mit einem Moratorium von 50 Jahren,
koennen ohne Schwierigkeiten zu 100% bewertet werden (Assets held to
maturity are valued at amortised cost; assets held for trading are marked
to market, with unrealised gains or losses included in earnings...)
Wenn die Bailout-Praxis zur Gewohnheit wird (die USA geht da mir ihrer Bevölkerung wesentlich härter um und mutet ihr mehr zu als die Europäer) und man weiterhin Angst hat, auch mal eine Bank pleite gehen zu lassen (in den USA hat man sich auch das getraut und es sogar geschafft, einen Teil der Kosten dafür aufs Ausland abzuwälzen, das ja von der so ausgelösten Finanzkrise ebenfalls betroffen war), dann werden natürlich auch Pleitestaaten-Anleihen weiterhin am Markt gefragt sein.
Die Notenbanken koennten noch Gewinne erzielen und so ihr Eigenkapital
staerken, wenn sie den Geschaeftsbanken Anleihen aus der Tradingbewertung
unter par abkaufen, und dann zur Faelligkeit bewerten.
Ja, wenn sie sich auf die Staaten verlassen können.
Der Wert von Beteiligungen wird bekanntlich aktivisch verbucht, und ist
oft sehr dehnbar. Der Staat hingegen bilanziert nicht. Er koennte jederzeit
Aktiva in bilanzierende Beteiligungsgesellschaften einbringen, womit man
dann tatsaechliche Vermoegensgegenstaende haette, welche beleihbar waeren,
ohne die Staatsverschuldung weiter zu erhoehen (man vermindert vielmehr die
Aktiva des Staates, was aber uninteressant ist, da diese ja ex ante nicht
ausgewiesen werden). Wenn nun die Finanzierung dieser Aktiva nicht ueber
GBs, sondern ueber NBs abgewickelt wuerde, haette man in der NB Aktivposten
mit wohlklingenden Werten wie Autobahnen, staatlicher Grund und Boden,
Infrastruktur, etc. Klaenge das besser als 'zins- und tilgungsfreie
Forderungen'?
Wesentlich besser ...
Nach meiner Einschaetzung wird es an der Ausweitung der Notenbankbilanzen,
und zwar mangels ausreichender Nachschuldner expressis verbis ohne
zusaetzliche Verschuldung, in diesem System keinen Weg vorbei geben.
Vermutlich ja, denke ich auch.
Die
Vollgeldler sind so freundlich, das Kinde beim Namen zu nennen. In der
Realitaet wird sich natuerlich eine Spielart durchsetzen, welche die
tatsaechlichen Begebenheiten aufs maximale verschleiert.
Eben. Mein Berater auf der örtlichen Sparkasse sagte mir neulich auf meine Frage, ob er denn die Höhe der deutschen Staatsschulden schon als kritisch einschätze, "nein, ich glaube, da steht schon noch genug dahinter an Straßen, Gebäuden usw. usw."). Seine Sicht auf den Schuldner "Staat" ist also analog der Sicht auf einen privaten Schuldner (in den ja vollstreckt werden kann - wie genau das bei Staatsschulden ist, weiß ich gar nicht).
Ich denke, diese Einschätzung hängt damit zusammen, daß hierzulande der Staat eben seine Anleihen nur über den privaten Vermögensmarkt loswird, sich also nicht wie ein privilegierter, sondern wie ein ganz normaler privater Schuldner verhält.
Würde derselbe Sparkassenangestellte nun in der ZB-Bilanz "zins- und tilgungslose Forderungen" als Aktivposten entdecken, fürchte ich doch, daß sein Vertrauen in die Zentralbank und ihre Währung doch etwas leiden würde ... weswegen ich das Vollgeldkonzept für unrealistisch halte.
Viel eher wird man wohl größere Schuldner letzter Hand schaffen oder sich sogar - wie die USA - trauen, auch mal eine Bank pleitegehen zu lassen und darauf hoffen, daß sich schon andere "großherzige" "Retter" finden werden, die als Schuldner letzter Hand "bereitwillig" einen möglichen Dominoeffekt mit globaler Finanzkrise zu verhindern; wobei man dann natürlich für den Fall der Fälle Pläne für eine schnelle Währungsreform in der Schublade haben wird.
In Europa könnte sich diese Haltung gerade deswegen vielleicht doch einmal durchsetzen, weil man hierzulande kaum kriegerische Folgen aus einer auch mehrwöchigen großen Finanzkrise mit Währungsreform zu fürchten hat, die eher in Ländern wie Pakistan oder anderen Ländern mit jüngerer Überschußbevölkerung zu erwarten sind; ich halte letzteres aber für unwahrscheinlich, weil für derart unpopuläre und weitreichende Entscheidungen hierzulande einfach die politischen Führungspersönlichkeiten fehlen.
Welche Folgen und
Konsequentzen dann daraus erwachsen, sei dahingestellt. Vermutlich die
ueblichen Nachfolgeprobleme der problem-solving society, meistens als
'Fallhoehe weiter erhoehen' vereinfacht....(am Abgrund interessiert es die
meisten Lebewesen halt doch mehr, ob sie selber hier und jetzt ganz konkret
in den Abgrund fallen, oder ihre Urenkel, eventuell, ueberuebermorgen noch
ein wenig tiefer).....
Ja, sehe ich ähnlich aller Wahrscheinlichkeit wird sich diese Haltung durchsetzen; das Zeitalter der "Rettungsfonds" und der immer größeren "Schuldner letzter Hand" dürfte also weitergehen, und die Politik wird sich, von den Märkten immer kritisch beäugt und beurteilt, immer neue Ideen ausdenken müssen, um als Schuldner letzter Hand "glaubwürdig zu bleiben", wobei Glaubwürdigkeit hier beim kurzfristigen Horizont der Spekulanten immer nur über kurze Fristen zu erreichen ist und die Märkte/Spekulanten ja wissen, was eigentlich gespielt wird, dies aber natürlich weidlich zu ihrem kurzfristigen persönlichen Vorteil ausnutzen.
So gesehen siegt der globalisierte Markt über die nach wie vor nur nationale Politik, indem er die Staaten untereinander um Investoren und qualifizierte Arbeitskräfte konkurrieren und sich gegenseitig "Schuldner-letzter-Hand-Funktionen" aufdrücken läßt - eine logische Konsequenz der auf Freiheit und Gleichheit beruhenden Gesellschaft, die auch Marx schon 1857 klar gesehen hatte:
"Dann der Staat. (Staat und bürgerliche Gesellschaft. – Die Steuer oder die Existenz der unproduktiven Klassen. – Die Staatsschuld. – Die Population. – Der Staat nach außen: Kolonien. Auswärtiger Handel. Wechselkurs. Geld als internationale Münze. – Endlich der Weltmarkt. Übergreifen der bürgerlichen Gesellschaft über den Staat. Die Krisen."
Er verhaspelte er sich dann aber ja im Tauschparadigma und stellte sein Buch nie fertig.
Gruß
moneymind
--
BLOGGING: Never before have so many people with so little to say said so much to so few.
gesamter Thread:
- Papandreou gewinnt Vertrauensfrage (153:145) -
CalBaer,
05.11.2011, 00:02
- Finanzminister Venizelos soll Papandreou die Zusage abgerungen haben, auf die Führung einer Übergangsregierung zu verzichten - azur, 05.11.2011, 01:33
- Lesenswert: "Mein Leben mit den Papandreous" von Gerd Höhler -
Gaby,
05.11.2011, 08:33
- Schoener Link. Erinnert mich ein wenig auch an Spanien. - SUCRAM, 05.11.2011, 11:58
- ''Noch ist nicht Omega, aber endgültig fertig mit Alpha!'' - Apostroph, 05.11.2011, 21:31
- Erstaunlich, dass das Geld in Griechenland jetzt bis Dezember reicht -
Vatapitta,
05.11.2011, 22:59
- Gewinne schönrechnen -
Skydiver,
06.11.2011, 00:16
- @Skydiver - Besten Dank, schön erklärt. (oT) - Vatapitta, 06.11.2011, 00:55
- Ich hätte da einen schönen Namen dafür -
moneymind,
06.11.2011, 01:03
- Der Staat könnte auch den 'Fair Value' seiner Anleihen mit 'Market to Model' = Null bewerten ;-) (oT) -
Aljechin,
06.11.2011, 01:46
- Noch besser -
moneymind,
06.11.2011, 04:07
- Auch "Vollgeld" wird nicht passiv gebucht -
Hardy, der Student,
06.11.2011, 09:04
- Antwort -
moneymind,
06.11.2011, 15:20
- Da hat wohl einer Stadermann/Steiger nochmal ausgepackt ;-) (oT) -
Melethron,
06.11.2011, 16:06
- Plus sich auf die Diskussionen mit Hajo Riese besonnen ... -
moneymind,
06.11.2011, 16:11
- Kommt aber auch darauf was man unter Vermögen versteht. (mkT) -
Melethron,
06.11.2011, 16:25
- Ok ... und ... -
moneymind,
06.11.2011, 16:37
- Produktion von Sachvermoegen -
Miesespeter,
06.11.2011, 17:04
- Antwort (mkT) - moneymind, 06.11.2011, 19:03
- "Durch Leitzinssenkung geschaffendes Sachvermögen" - Präzisierung -
moneymind,
06.11.2011, 21:48
- Bilanzieller Vermoegensbegriff -
Miesespeter,
06.11.2011, 23:30
- Wie genau ich Vermögen definiere, und Gründe, warum ich es anders definiere als Du -
moneymind,
07.11.2011, 01:08
- G.O. ist zwar bestimmt, aber nicht berechenbar - Zarathustra, 07.11.2011, 09:06
- Wie genau ich Vermögen definiere, und Gründe, warum ich es anders definiere als Du -
moneymind,
07.11.2011, 01:08
- Bilanzieller Vermoegensbegriff -
Miesespeter,
06.11.2011, 23:30
- Antwort (mT) -
Melethron,
06.11.2011, 18:13
- Einspruch - moneymind, 06.11.2011, 18:57
- Rieses Geldbegriff - moneymind, 07.11.2011, 01:25
- Produktion von Sachvermoegen -
Miesespeter,
06.11.2011, 17:04
- Ok ... und ... -
moneymind,
06.11.2011, 16:37
- Kommt aber auch darauf was man unter Vermögen versteht. (mkT) -
Melethron,
06.11.2011, 16:25
- Plus sich auf die Diskussionen mit Hajo Riese besonnen ... -
moneymind,
06.11.2011, 16:11
- Dottores Kommentar zur Schatzkammer: ganz vorzüglich! -
Hardy, der Student,
06.11.2011, 20:37
- Antwort - moneymind, 07.11.2011, 02:16
- Da hat wohl einer Stadermann/Steiger nochmal ausgepackt ;-) (oT) -
Melethron,
06.11.2011, 16:06
- Antwort -
moneymind,
06.11.2011, 15:20
- Schlimm, dass welche, die das jetzige .. - Aljechin, 06.11.2011, 09:56
- Bewertungsspielraeume -
Miesespeter,
06.11.2011, 16:20
- von Schuldnern letzter Hand - moneymind, 10.11.2011, 01:50
- Auch "Vollgeld" wird nicht passiv gebucht -
Hardy, der Student,
06.11.2011, 09:04
- Noch besser -
moneymind,
06.11.2011, 04:07
- Der Staat könnte auch den 'Fair Value' seiner Anleihen mit 'Market to Model' = Null bewerten ;-) (oT) -
Aljechin,
06.11.2011, 01:46
- Danke für die Antwort auf meine 2. Frage. - Woher kriegen die Griechen die Kohle bis Dezember? (oT) -
Vatapitta,
06.11.2011, 19:20
- Wenn man Prof. Sinn hört: wohl in der Tat Target2. Hat er Recht? -
Leserzuschrift,
06.11.2011, 21:52
- Ganz kurz -
Mieses von Ludwig,
07.11.2011, 01:38
- Danke Ludwig, und woher kommt dann das Geld für den griechischen Staat? -
Vatapitta,
07.11.2011, 20:18
- Viel fällt mir da auch nicht mehr ein - Mieses von Ludwig, 09.11.2011, 22:39
- Danke Ludwig, und woher kommt dann das Geld für den griechischen Staat? -
Vatapitta,
07.11.2011, 20:18
- Ganz kurz -
Mieses von Ludwig,
07.11.2011, 01:38
- Wenn man Prof. Sinn hört: wohl in der Tat Target2. Hat er Recht? -
Leserzuschrift,
06.11.2011, 21:52
- Gewinne schönrechnen -
Skydiver,
06.11.2011, 00:16