Gesellschaftssteuerung ist kein Gluecksspiel
Klar. Der persönliche (auch berufliche) Vorteil, z.B. im Bezug auf die
Einschätzung einer Situation, der ist genauso gegeben, wie bei uns allen.
Aber ein Spitzenpolitiker hat Ziele zu erfüllen, an denen er gemessen
wird. Folglich wird er versuchen, alles einzusetzen, was ihm dabei helfen
könnte, seine Ziele zu erreichen. Und genau an der Stelle kommt es ja zur
eigentlichen Schnittstelle zwischen ihm (besser gesagt, seiner Partei) und
dem Bürger. Und genau da frage ich mich: Wen kann eine Partei für sich
als Wähler gewinnen, wenn sie gezielt mit dem Wissen des Debitismus
arbeitet.
Hi Lex,
doch, das funktioniert ganz sicher.....
Und damit meine ich nicht, die Erkenntnisse irgendwo versteckt im
Hintergrund als Parteistrategie im Wettbewerb zur gegnerischen Partei
anzuwenden, sondern diese Erkenntnisse ganz konkret für den Bürger
sichtbar zu machen.
....allerdings eben in genau diesem Sinne.
Also etwa so: Die Welt sieht aus debitistischer Sicht deutlich anders aus,
wie bislang vermittelt, und daher wollen wir (als Partei) folgende
Konsequenzen daraus ziehen, und für euch (den Bürger) folgendes auf den
Weg bringen...
Und ganz sicher nicht, indem ich ihm die reine Wahrheit zu vermitteln versuche. Zum einen ist diese nicht unumstritten, zum anderen ist die Wahrheit nicht beliebt. Es ist m.E. ein Irrtum, dass der Mensch nach der Wahrheit strebt, und die Unwahrheit hat einen schlechteren Ruf als ihr gebuehrt.
Schauen wir uns kurz um, ist es irgendwo anders?
Schauen wir uns die produzierende Wirtschaft an: Dort gibt es die Lebensmitteltechnologen, die tatsaechlich wissen, was in der Industrie-Wurst alles drin ist, und die Marketingabteilung, die fuer die Brandnarrative zustaendig ist, um das Produkt passend im Mindspace der Zielgruppe zu positionieren. Wer kaeme auf den Gedanken, dass ein Hersteller seine Markenkommunikation aus der Verbreitung des realen Wissens der Lebensmitteltechnologen gestalten sollte...("und zu Sylvester pinkeln unsere feuchtfroehlichen Facharbeiter auch mal in die Bottiche mit den umgeruehrten hormonverseuchten Schlachtabfaellen")?
Schauen wir uns die Staats-Kirche an: Dort gibt es die politischen Elemente wie Bischhoefe und den Vatikan, die Interessenpolitik betreiben, und die Pfarrer und Pastoren, die fuer die Verbreitung/Aufrechterhaltung der religioesen Mythen und Gebraeuche im Volk zustaendig sind. Wer kaeme auf den Gedanken, dass die Kirche ihre Predigten mit den politischen Inhalten aus dem Vatikan gestalten sollte ("8% Kirchensteuer, 2517 Altarknaben und 6,8 Milliarden Quadratmeter Grund und Boden: unser Hallelujah kriegt der Kaiser nicht umsonst")
Visionen, Narrativen, Religionen, Ideologien, Medienprodukte, Utopien: hiermit wird gearbeitet, um Menschen in grosser Anzahl in eine Richtung zu bewegen. Es sind auch Instrumente der Politik, aber nicht ihr Kern. Ich subsummiere die Produktion und Verbreitung dieser siropoesen Geisteskreationen als Bullshit-Industries, die professionelle Produktion von im Hirn des Publikums moeglichst klebenden Bullshits, in toto wahrscheinlich der weltweit umsatztaerkste Industriezweig. Dies allein deutet darauf hin, dass hier nicht nur ein erhebliches Angebot geschaffen wird, sondern gerade auch, dass es eine nicht zu saettigende Nachfrage fuer diese Phantasieprodukte gibt. Und diese scheint doch erheblich groesser als die Nachfrage nach 'Wahrheit' und Wissenschaft.
Abseits der Bullshitproduzenten gibt es jedoch die politischen Machttechnologen, welche mit Politik, Macht und Gewalt professionell umgehen, als herausragende Beispiele seien Napoleon, Stalin, Putin, die Familie Bush, aber auch Kohl oder Joschka Fischer genannt, oftmals mit geheimdienstlicher Schulung, welche das tatsaechliche Geschaeft betreiben, also die Richtung und den Rahmen bzw. seine Grenzen bestimmen, innerhalb welcher die Politvermarkter dann die Massen bewegen. Man schaue sich mal an, wie Joschka Fischer mit ein paar Gleichgesinnten (und sicherlich helfenden Haenden ohne Namen) eine ganze Bewegung gekapert und deren Richtung neu definiert hat, das ist hohe Politik.
Und fuer diese Gruppe ist die intime Kenntnis der Sachzwaenge zweifelsohne von erheblichem Nutzen. Wenn man voraussetzt, dass es klare und eiserne Sachzwaenge gibt, dann ist es fatal, sich dagegen zu positionieren, weil man dann die Macht verliert. Schon allein deshalb hat sich noch nie eine Partei lange mit der Illusion des staatlichen Gesundsparens als Rezept in einer deflationaeren Rezession gehalten: eine Partei die dies mit wirklichem Glauben betreibt, geht aufgrund der katastrophalen Ergebnisse der Macht verlustig. Die Einsicht in den Sachzwang ist also in der Politik letztendlich ein evolutionaeres K.O.-Kriterium.
Allerdings kann eine solche ins Off ausverlesene Partei, wenn sie ihrem Thema treu bleibt, durchaus nach einer Weile wieder aus der Versenkung erscheinen, denn morgen mag eine Position, die heute ein Problem verschaerft, durchaus ein nachgelagertes Problem 'loesen'. Die Linke ist dabei, dies zu demonstrieren.
Aber was wäre eine politische Kernbotschaft auf Basis des Debitismus?
1. Schuldendruck bringt Wachstum und Wachstumszwang
2. Wirtschaften ist Funktion von Politik
3. Am Ende steht immer der Zusammenbruch
Wenn ich alleine diese 3 Kernelemente beruecksichtige, kann ich mich politisch ganz anders positionieren, als wenn ich zB davon ausginge, Politik waere eine Funktion von Wirtschaft oder man muesse nur die richtige Loesung finden, dann ginge alles immer gut. Und aus dieser Positionierung und der entsprechenden Vorbereitung entsteht am Ende politische Aktion. In den allermeisten Faellen duerfte wohl jener, welcher sich dem Determinierten nicht entgegenstellt, sondern im Gegenteil zum opportunen Zeitpunkt vorbereitet das Determinierte als eigene 'Loesung' verkauft, im Sinne des Machtmanagements erheblich erfolgreicher fahren als der glaeubige Ideologe, der immer darauf hoffen muss, dass die Geschichte ihm seine grosse Stunde einmal zuspielt, und der dann, wenn dies tatsaechlich geschehen sollte, innert kuerzester Zeit mit seinem Latein am Ende waere, weil er das aus seiner Loesung entwachsende Nachfolgeproblem bereits nicht mehr beherrschen kann, da er ja dazu neigt, immer das gleiche ideologische Rezept anzuwenden..
Da sind die politischen Botschaften eines Ron Pauls schon deutlich besser
verdaulich. Denn mit seinem bunten Mix aus konservativen und liberalen
Positionen muss sich zunächst niemand ausgegrenzt fühlen (zumindest nicht
in den USA, denn dort gibt es ja keine Linken...). Aber trotz der
prinzipiellen Eingängigkeit seines Programmes, kann Ronnie in USA nicht so
recht punkten. Offenbar ist die Erreichung von politischen Mehrheiten noch
an weitere Befindlichkeiten gekoppelt, die anscheinend mit in Aussicht
gestellten größtmöglichen individuellen Freiheiten allein nicht
abzudecken sind.
Ja, und meine Einschaetzung dazu ist, dass es selbstverstaendlich in den USA auch politische Eliten gibt, mit Einsicht in das System, und diese Eliten haben nicht vor, den Herrn Paul mir nichts dir nichts das ganze Staatsgebaeude abreissen zu lassen. Und es gibt noch genuegend andere Narrativen ausser derjenigen der Freiheit, welche diese dann aktivieren koennen. Zum Beispiel die christliche und dann schicke ich Michelle Bachmann ins Rennen, um die Libertaeren zu spalten. Oder die Gewaltenteilung, und schon habe ich auch noch den Kongress, den Senat, die Partei, das Kabinett, die Medien, den Supreme Court, die Dienste......good luck, Ron Paul.
Lässt sich das debitistische Treiben überhaupt von Politik
beeinflussen
(=verändern)? Welche Bedeutung (=Veränderung) hat (bewirkt)
politische
Arbeit in der debitistischen Realität?
Meine Meinung:
Beeinflussen im Sinne von beschleunigen und verlangsamen: ja.
Beeinflussen im Sinne von links rum oder rechts rum zum Zielpunkt: ja.
Beeinflussen im Sinne von Umkehrung oder Aufhebung: nein.
Meine Sichtweise dazu:
Die primäre Aufgabe der Politik war und ist es stets gewesen, die
ideologische Handlunsgbasis zu sichern, welche die kollektive
Funktionstüchtigkeit einer arbeitsteiligen Gesellschaft TROTZ(!)
Debitismus erst ermöglicht, und zwar durch gezieltes Ausblenden
utopiegefährdender debitistischer Aspekte.
Sehr schoen! Die kollektive Funktionstuechtigkeit ist nur aufrechtzuerhalten, wenn das Kollektiv sich systemgerecht verhaelt, und dieses Verhalten kultiviert die Politik durch die Gestaltung des kollektiven und individuellen ' Mindspace', praktisch geistige Landschaftsgestaltung per umfassender und allzeitiger Indoktrination. Sie muss einerseits selbst der Sachzwaenge bewusst sein, das Kollektiv duerfen diese jedoch als Grundbewusstsein nicht praegen, weil dann systemgerechte Handlung nur noch schwerlich vermittelbar/induzierbar waere. Ein ganz wesentliches Instrument der Politik ist daher die Luege, ohne sie waere Politik wohl gar nicht moeglich, so wie moderne Wirtschaft wohl ohne Marketing (=Luege) nicht moeglich waere, Religion nicht ohne die Behauptung Mythen seien reales Geschehen, und wahrscheinlich auch das individuelle Leben nicht ohne Glauben an die eine oder andere Sache, also durch willentlichen Selbstbetrug.
Der Debitismus erschwert diesen ja nur auf dem begrenzten Gebiet der Wirtschaftstheorie, laesst aber sonst dankenswerterweise viel Freiheit, sich allen moeglichen geistigen Spleens ausgiebigst hinzugeben.
Gruss,
mp
--
Everything is ok
gesamter Thread:
- @Fabio: Dafür, dass Du einer der Wenigen bist, die aus dem Debitismus einen konkreten Nutzen ziehen konnte... -
Lex Mercatoria,
04.09.2011, 01:24
- Beitragslöschung von Lex Mercatoria -
paranoia,
05.09.2011, 00:26
- Danke paranoia ! ... dem kann ich mich - Jeanna, 05.09.2011, 00:43
- Möchte auch gerne weiterhin Lex M. lesen (oT) - Kurt, 05.09.2011, 08:42
- Vielleicht noch mal überdenken - Hardy, der Student, 05.09.2011, 08:03
- wollte nicht der Erste sein - aber bitte überleg es Dir noch mal, der Beitrag war n.m.E. doch nicht "feindlich" gemeint? (oT) - Onkel Otto, 05.09.2011, 08:14
- sehe ich anders - Dieter, 05.09.2011, 09:46
- Der Beitrag war absolut ok, verstehe ich nicht - Gaby, 05.09.2011, 09:58
- Chef, hast vermutlich übersehen, dass ... - Zarathustra, 05.09.2011, 10:01
- Verstehe ich auch nicht ... - Arithmos, 05.09.2011, 10:58
- Ich habe den Beitrag wieder eingestellt und entschuldige mich... - Chef, 05.09.2011, 11:01
- Vielen lieben Dank an alle... - Lex Mercatoria, 05.09.2011, 18:15
- Positive Aspekte des Debitismus: ein Anfang -
Miesespeter,
05.09.2011, 19:50
- Vollste Zustimmung, sehr schön ausgedrückt! (oT) - Elli, 05.09.2011, 20:04
- Fein - wir kommen also doch noch zu einer Diskussion! -
Lex Mercatoria,
06.09.2011, 00:26
- Politische Bedeutung -
tar,
06.09.2011, 01:34
- Jetzt sind wir ganz nahe dran, tar! -
Lex Mercatoria,
06.09.2011, 20:38
- Eutopie vs. Dystopie - tar, 07.09.2011, 03:32
- Gesellschaftssteuerung ist kein Gluecksspiel -
Miesespeter,
10.09.2011, 00:40
- Dieser Satz ist ein so erschreckender Angriff auf die moralischen Grundsätze und Prinzipien der abendländischen Kultur... -
Lex Mercatoria,
10.09.2011, 23:56
- Wahrheit ist eine Lüge -
moneymind,
12.09.2011, 00:42
- Ich glaube, ich gehöre zum Persönlichkeitstyp Cheeseburger... -
Lex Mercatoria,
12.09.2011, 01:47
- Sorgen?!?!? - moneymind, 13.09.2011, 23:59
- Ich glaube, ich gehöre zum Persönlichkeitstyp Cheeseburger... -
Lex Mercatoria,
12.09.2011, 01:47
- Wahrheit ist eine Lüge -
moneymind,
12.09.2011, 00:42
- Dieser Satz ist ein so erschreckender Angriff auf die moralischen Grundsätze und Prinzipien der abendländischen Kultur... -
Lex Mercatoria,
10.09.2011, 23:56
- Utopie, Ziele etc. - moneymind, 11.09.2011, 23:58
- Jetzt sind wir ganz nahe dran, tar! -
Lex Mercatoria,
06.09.2011, 20:38
- Politische Bedeutung -
tar,
06.09.2011, 01:34
- Freiheit von Hoffnung (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:08
- Wer mit Hoffnungslosigkeit gut leben kann, hat sehr viel erreicht -
Zarathustra,
06.09.2011, 10:30
- Nicht ganz, denn ... (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:51
- Ohne Furcht keine Hoffnung - Zarathustra, 06.09.2011, 11:05
- Sisyphus Schicksal, das blüht den Nachhaltigen und Kreislaufwirtschaftern ... -
Orlando,
06.09.2011, 13:30
- Das ist kein Aufruf zur Selbstkasteneiung in christlicher Tradition (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 13:57
- Nein sagen und die Konsequenzen ertragen - Orlando, 06.09.2011, 15:30
- Ich hätte diese - kack - Einblendung im Video weglassen sollen! Gruß (oT) - Ashitaka, 08.09.2011, 19:04
- Das ist kein Aufruf zur Selbstkasteneiung in christlicher Tradition (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 13:57
- Nicht ganz, denn ... (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:51
- Wer mit Hoffnungslosigkeit gut leben kann, hat sehr viel erreicht -
Zarathustra,
06.09.2011, 10:30
- Droge klarer Kopf -
beni,
05.09.2011, 19:58
- Debitismus und Marx (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:23
- "Lösungen anzubieten" -
Zarathustra,
06.09.2011, 11:29
- Jetzt "hegelst" du ;-) (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 12:27
- Was ist da vernünftig? Das erschließt sich mir jetzt nicht... -
Mephistopheles,
06.09.2011, 13:28
- Warum muss sie das denn?! (mT) - Melethron, 06.09.2011, 14:08
- So machen wir's. Oder anders. Aber sofort. - moneymind, 12.09.2011, 00:22
- Was ist da vernünftig? Das erschließt sich mir jetzt nicht... -
Mephistopheles,
06.09.2011, 13:28
- Jetzt "hegelst" du ;-) (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 12:27
- Marx -
beni,
06.09.2011, 12:22
- Antwort (mT) - Melethron, 06.09.2011, 13:30
- Nun? - tar, 06.09.2011, 18:18
- "Lösungen anzubieten" -
Zarathustra,
06.09.2011, 11:29
- Debitismus und Marx (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:23
- Optimistische Debitisten -
Fabio,
05.09.2011, 20:41
- Debithermodynamik v1.2 - Kurt, 14.10.2011, 13:16
- der Debitismus kann die Welt retten, wenn kein Retter mehr in Sicht ist -
Onkel Otto,
06.09.2011, 09:17
- Wat mi nich in den Kopp geiht... -
RogRog,
07.09.2011, 00:37
- wo ist das Geldloch? -
Onkel Otto,
08.09.2011, 11:20
- Musst mich noch ein büschen genauer aufklären! -
RogRog,
08.09.2011, 23:41
- ich versuchs... - Onkel Otto, 09.09.2011, 17:57
- Daten - Thor, 14.09.2011, 07:20
- Musst mich noch ein büschen genauer aufklären! -
RogRog,
08.09.2011, 23:41
- wo ist das Geldloch? -
Onkel Otto,
08.09.2011, 11:20
- Wat mi nich in den Kopp geiht... -
RogRog,
07.09.2011, 00:37
- Beitragslöschung von Lex Mercatoria -
paranoia,
05.09.2011, 00:26