Dieser Satz ist ein so erschreckender Angriff auf die moralischen Grundsätze und Prinzipien der abendländischen Kultur...
Es ist m.E. ein Irrtum, dass der Mensch nach der
Wahrheit strebt, und die Unwahrheit hat einen
schlechteren Ruf als ihr gebuehrt.
...dass er direkt von mir sein könnte!
Hallo Miesespeter!
Schauen wir uns kurz um, ist es irgendwo anders?
Schauen wir uns die produzierende Wirtschaft an: Dort gibt es die
Lebensmitteltechnologen, die tatsaechlich wissen, was in der
[...]
Schauen wir uns die Staats-Kirche an: Dort gibt es die politischen
Elemente wie Bischhoefe und den Vatikan, die Interessenpolitik betreiben,
[...]
Visionen, Narrativen, Religionen, Ideologien, Medienprodukte, Utopien:
hiermit wird gearbeitet, um Menschen in grosser Anzahl in eine Richtung zu
[...]
Ich füge noch ein Beispiel aus der Natur hinzu:
Raben tun vor ihren Artgenossen so, als würden sie Fressbares im Boden verscharren. Tatsächlich verstecken sie es aber in einem unbeobachteten Moment ganz wo anders.
Absichtliches Täuschen und Irreführen ist offensichtlich ein Grundprinzip in der Natur. Soziologen wissen schon lange, dass die Lüge in der menschlichen Gesellschaft nicht ein unmoralischer Makel ist, sondern zwingender Bestandteil eines jeden sozialen Gefüges. Und das Ausmaß des Lügens ist direkt proportional zur Komplexität eines sozialen Gefüges. Auch in Stammeswirtschaften wird gelogen und getäuscht. Aber halt nur in so bescheidenem Umfang, dass wir als Groß-Zivilisationisten dies lediglich als rituelle Naturvolk-Bräuche betrachten.
Abseits der Bullshitproduzenten gibt es jedoch die politischen
Machttechnologen, welche mit Politik, Macht und Gewalt professionell
umgehen, als herausragende Beispiele seien Napoleon, Stalin, Putin, die
Familie Bush, aber auch Kohl oder Joschka Fischer genannt, oftmals mit
geheimdienstlicher Schulung, welche das tatsaechliche Geschaeft betreiben,
also die Richtung und den Rahmen bzw. seine Grenzen bestimmen, innerhalb
welcher die Politvermarkter dann die Massen bewegen. Man schaue sich mal
an, wie Joschka Fischer mit ein paar Gleichgesinnten (und sicherlich
helfenden Haenden ohne Namen) eine ganze Bewegung gekapert und deren
Richtung neu definiert hat, das ist hohe Politik.Und fuer diese Gruppe ist die intime Kenntnis der Sachzwaenge zweifelsohne
von erheblichem Nutzen. Wenn man voraussetzt, dass es klare und eiserne
Sachzwaenge gibt, dann ist es fatal, sich dagegen zu positionieren, weil
man dann die Macht verliert. Schon allein deshalb hat sich noch nie eine
Partei lange mit der Illusion des staatlichen Gesundsparens als Rezept in
einer deflationaeren Rezession gehalten: eine Partei die dies mit
wirklichem Glauben betreibt, geht aufgrund der katastrophalen Ergebnisse
der Macht verlustig. Die Einsicht in den Sachzwang ist also in der Politik
letztendlich ein evolutionaeres K.O.-Kriterium.
Du meinst im weitesten Sinne den politischen Vorteil, der sich aus einer umfassenden Einschätzung jenseits ideologischer Selbst- und Fremdtäuschung ergeben kann. Ja, so etwas gibt es durchaus. Wie der Marquis von Pombal beispielsweise.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sebasti%C3%A3o_Jos%C3%A9_de_Carvalho_e_Mello
Nach der Zerstörung Lissabons im verheerenden Erdbeben (inklusive Flutwelle) von 1755 gelang es ihm, die ihm verhassten Jesuiten politisch in die Knie zu zwingen, in dem er durch systematische naturwissenschaftliche Auswertung der Zerstörungen durch das Erdbeben so viel Daten und Erkenntnisse sammelte, dass die Naturkatastrophe, welche von den Klerikern eindringlich als Strafe Gottes für Lissabon gepredigt wurde, eindeutig einem Naturereignis zugeordnet werden konnte. Dieses naturwissenschaftliche Wissen wurde der Bevölkerung aber nicht als eine entmystifizierte Wahrheit vermittelt, um diese gegen die Jesuiten zu mobilisieren, sondern es genügte dem Marquis völlig, hinter den Kulissen den Jesuiten mit seinen Arbeiten den Marsch zu blasen und sich für die vorausstehenden Ereignisse politisch zu positionieren. Im Wiki-Artikel steht davon natürlich nichts - aber die Archive von Lissabon künden von Fragebögen(!), die der Marquis seinerzeit im Umland von Lissabon verteilen und ausfüllen lies, um einen objektiven Eindruck von der Katastrophe zu erhalten. Mit wissenschaftlicher "Wahrheit" siegte er über kirchliche Ideologie. Wie es sich für einen echten Aufklärer, der er eben war, auch gehört.
Sehr schoen! Die kollektive Funktionstuechtigkeit ist nur
aufrechtzuerhalten, wenn das Kollektiv sich systemgerecht verhaelt, und
dieses Verhalten kultiviert die Politik durch die Gestaltung des
kollektiven und individuellen ' Mindspace', praktisch geistige
Landschaftsgestaltung per umfassender und allzeitiger Indoktrination. Sie
muss einerseits selbst der Sachzwaenge bewusst sein, das Kollektiv duerfen
diese jedoch als Grundbewusstsein nicht praegen, weil dann systemgerechte
Handlung nur noch schwerlich vermittelbar/induzierbar waere. Ein ganz
wesentliches Instrument der Politik ist daher die Luege, ohne sie waere
Politik wohl gar nicht moeglich, so wie moderne Wirtschaft wohl ohne
Marketing (=Luege) nicht moeglich waere, Religion nicht ohne die Behauptung
Mythen seien reales Geschehen, und wahrscheinlich auch das individuelle
Leben nicht ohne Glauben an die eine oder andere Sache, also durch
willentlichen Selbstbetrug.
Es gibt da meinerseits eine ergänzende Sichtweise, die hier im Forum nicht auf allzu fruchtbaren Boden fällt, die aber nichtsdestotrotz sehr stark durch eigene Erfahrungen geprägt ist:
Diejenigen, die an einer prominenten Position ein "Mindsetting" oder einen "Mindspace" gestalten (ich würde statt "Gestalten" eher "grob Vordenken" bevorzugen, da aus einem Gestaltungsvorgang meist etwas sehr konkretes und greifbares resultiert), können keinesfalls so souverän und kaltschnäuzig die vollständige Trennung vollziehen, zwischen Wissen um eine Wahrheit und der tatsächlich vermittelten Botschaft. Dies wird gerne und ausgiebig unterstellt, um den Aspekt des Lügens ganz gezielt hervorzuheben, um damit zu einer (meist vernichtenden) moralischen Wertung zu kommen.
Beispiel: Der CEO eines Konzerns kann nicht einerseits auf Basis einer realistischen und ungeschönten Marktanalyse davon ausgehen, dass der Markt für die Produkte seines Unternehmens keine großen Wachstumsraten mehr hergibt, aber andererseits gleichzeitig seine Personalchefs damit beauftragen, für die Mitarbeiter eine eingängige Motivations-Botschaft zu stricken, welche von der realistischen Erreichbarkeit der zukünftigen Wachstumsziele kündet, um diese weiterhin an der Kandare zu halten. Die Lüge ist vielmehr bereits im Kopf des CEO (im Rahmen seiner Selbstmotivation) entstanden und fest verankert worden, bevor sie ihren Weg mittels Motivationsprogramm durch das Unternehmen antritt. Und diese dabei zugrunde liegenden Selbsttäuschungsmechanismen machen auch durchaus Sinn! Denn genau wie im Spitzensport (und Leadership in Politik und Wirtschaft ist nichts anderes!), kann man ja als CEO problemlos die Grundprämisse ansetzen, dass die notwendigen Anpassungsprozesse auf dem Markt (also Firmenpleiten) garantiert nur die ANDEREN treffen werden, weil man ja selbst der nachweislich schönste und schlaueste CEO aller Zeiten ist.
Oder kurz zusammengefasst:
Der Versuch, eine klare und deutliche Trennung von Lügendem und Belogenem anzustrengen, ist am Ende auch nichts weiter, als eine weitere dreiste Lüge: Das Postulat nämlich, die Welt könnte auch eine bessere sein, wenn nur den Lügnern endlich das Handwerk gelegt werden würde.
Wer das eigentliche Grundprinzip des debitistisch induzierten Wettbewerbs wirklich verstanden und verinnerlicht hat (Zara hatte dazu mal ein geniales Bild von Radsportlern eingestellt...), dem käme ohnehin nie in den Sinn, sich vor Selbsttäuschung gezielt zu schützen oder zu bewahren. Der aufrechte und selbstehrliche Mönchs-Ritter ist bereits am Start der Verlierer. Die Selbsttäuschung ist das Rüstzeug schlechthin, um für eine erfolgreiche Platzierung in einem Wettbewerb überhaupt in Frage zu kommen.
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Tja Miesespeter, ich kann Dir in Deinen Ausführungen praktisch in allen Punkten zustimmen. Allerdings gebe ich zu bedenken, was damit der komprimierte Tenor der Aussagen ist:
- Die politische Elite kann den Debitismus durchaus zu ihrem Vorteil nutzen
- Dies ermöglicht Teilen der politischen Keyplayer, sich gezielt und vorteilhaft zu positionieren und vorzubereiten.
- Nach dem (für Debitisten vorhersehbaren) Zusammenbruch könnte man somit als erster wieder politisch auf der Matte stehen...
Das klingt nicht gerade nach einem öffentlichkeitswirksamen politischen Programm, mit dem man Wählerstimmen einsammelt. Klingt eher nach handfestem Politgemauschel hinter der Bühne. Also genau das, was Fabio vermutlich nicht meint, wenn er über die Politikfähigkeit einer ökonomischen Denkschule sinniert.
Aber wie auch immer - jetzt müssen wir dem Fabio noch irgendwie verklickern, bei welchen politischen Kräften es sich lohnen würde, mittels gezielter Impfung mit dem Debitismus (sofern nicht ohnehin bereits Wissen darüber vorliegt), die Unterstützung und Vorarbeit zu leisten, für einen politischen Reboot nach dem unvermeidlichen Zusammenbruch.
Und falls Fabio fragen sollte, warum ausgerechnet die Debitisten ein sinnvoller Wegbereiter für einen ökonomischen Restart sein könnten, dann sollten wir ihm, ganz nach den Grundregeln des willentlichen Selbstbetruges, einfach mal ein grundehrliches Ständchen singen:
http://www.youtube.com/watch?v=xnmcKPexLyg
(es gibt leider keinen Selbstironie-Button...)
Der Debitismus erschwert diesen ja nur auf dem begrenzten Gebiet der
Wirtschaftstheorie, laesst aber sonst dankenswerterweise viel Freiheit,
sich allen moeglichen geistigen Spleens ausgiebigst hinzugeben.
So ist es!
Danke für Deinen Beitrag - hat mir sehr gut gefallen!
Lex
--
Disclaimer:
Article might contain explicit depictions of real things.
These real things are commonly known as life.
If it sounds sarcastic, don't take it seriously.
If it sounds dangerous, don't try it at home.
If it offends you, don't read it.
gesamter Thread:
- @Fabio: Dafür, dass Du einer der Wenigen bist, die aus dem Debitismus einen konkreten Nutzen ziehen konnte... -
Lex Mercatoria,
04.09.2011, 01:24
- Beitragslöschung von Lex Mercatoria -
paranoia,
05.09.2011, 00:26
- Danke paranoia ! ... dem kann ich mich - Jeanna, 05.09.2011, 00:43
- Möchte auch gerne weiterhin Lex M. lesen (oT) - Kurt, 05.09.2011, 08:42
- Vielleicht noch mal überdenken - Hardy, der Student, 05.09.2011, 08:03
- wollte nicht der Erste sein - aber bitte überleg es Dir noch mal, der Beitrag war n.m.E. doch nicht "feindlich" gemeint? (oT) - Onkel Otto, 05.09.2011, 08:14
- sehe ich anders - Dieter, 05.09.2011, 09:46
- Der Beitrag war absolut ok, verstehe ich nicht - Gaby, 05.09.2011, 09:58
- Chef, hast vermutlich übersehen, dass ... - Zarathustra, 05.09.2011, 10:01
- Verstehe ich auch nicht ... - Arithmos, 05.09.2011, 10:58
- Ich habe den Beitrag wieder eingestellt und entschuldige mich... - Chef, 05.09.2011, 11:01
- Vielen lieben Dank an alle... - Lex Mercatoria, 05.09.2011, 18:15
- Positive Aspekte des Debitismus: ein Anfang -
Miesespeter,
05.09.2011, 19:50
- Vollste Zustimmung, sehr schön ausgedrückt! (oT) - Elli, 05.09.2011, 20:04
- Fein - wir kommen also doch noch zu einer Diskussion! -
Lex Mercatoria,
06.09.2011, 00:26
- Politische Bedeutung -
tar,
06.09.2011, 01:34
- Jetzt sind wir ganz nahe dran, tar! -
Lex Mercatoria,
06.09.2011, 20:38
- Eutopie vs. Dystopie - tar, 07.09.2011, 03:32
- Gesellschaftssteuerung ist kein Gluecksspiel -
Miesespeter,
10.09.2011, 00:40
- Dieser Satz ist ein so erschreckender Angriff auf die moralischen Grundsätze und Prinzipien der abendländischen Kultur... -
Lex Mercatoria,
10.09.2011, 23:56
- Wahrheit ist eine Lüge -
moneymind,
12.09.2011, 00:42
- Ich glaube, ich gehöre zum Persönlichkeitstyp Cheeseburger... -
Lex Mercatoria,
12.09.2011, 01:47
- Sorgen?!?!? - moneymind, 13.09.2011, 23:59
- Ich glaube, ich gehöre zum Persönlichkeitstyp Cheeseburger... -
Lex Mercatoria,
12.09.2011, 01:47
- Wahrheit ist eine Lüge -
moneymind,
12.09.2011, 00:42
- Dieser Satz ist ein so erschreckender Angriff auf die moralischen Grundsätze und Prinzipien der abendländischen Kultur... -
Lex Mercatoria,
10.09.2011, 23:56
- Utopie, Ziele etc. - moneymind, 11.09.2011, 23:58
- Jetzt sind wir ganz nahe dran, tar! -
Lex Mercatoria,
06.09.2011, 20:38
- Politische Bedeutung -
tar,
06.09.2011, 01:34
- Freiheit von Hoffnung (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:08
- Wer mit Hoffnungslosigkeit gut leben kann, hat sehr viel erreicht -
Zarathustra,
06.09.2011, 10:30
- Nicht ganz, denn ... (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:51
- Ohne Furcht keine Hoffnung - Zarathustra, 06.09.2011, 11:05
- Sisyphus Schicksal, das blüht den Nachhaltigen und Kreislaufwirtschaftern ... -
Orlando,
06.09.2011, 13:30
- Das ist kein Aufruf zur Selbstkasteneiung in christlicher Tradition (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 13:57
- Nein sagen und die Konsequenzen ertragen - Orlando, 06.09.2011, 15:30
- Ich hätte diese - kack - Einblendung im Video weglassen sollen! Gruß (oT) - Ashitaka, 08.09.2011, 19:04
- Das ist kein Aufruf zur Selbstkasteneiung in christlicher Tradition (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 13:57
- Nicht ganz, denn ... (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:51
- Wer mit Hoffnungslosigkeit gut leben kann, hat sehr viel erreicht -
Zarathustra,
06.09.2011, 10:30
- Droge klarer Kopf -
beni,
05.09.2011, 19:58
- Debitismus und Marx (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:23
- "Lösungen anzubieten" -
Zarathustra,
06.09.2011, 11:29
- Jetzt "hegelst" du ;-) (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 12:27
- Was ist da vernünftig? Das erschließt sich mir jetzt nicht... -
Mephistopheles,
06.09.2011, 13:28
- Warum muss sie das denn?! (mT) - Melethron, 06.09.2011, 14:08
- So machen wir's. Oder anders. Aber sofort. - moneymind, 12.09.2011, 00:22
- Was ist da vernünftig? Das erschließt sich mir jetzt nicht... -
Mephistopheles,
06.09.2011, 13:28
- Jetzt "hegelst" du ;-) (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 12:27
- Marx -
beni,
06.09.2011, 12:22
- Antwort (mT) - Melethron, 06.09.2011, 13:30
- Nun? - tar, 06.09.2011, 18:18
- "Lösungen anzubieten" -
Zarathustra,
06.09.2011, 11:29
- Debitismus und Marx (mT) -
Melethron,
06.09.2011, 10:23
- Optimistische Debitisten -
Fabio,
05.09.2011, 20:41
- Debithermodynamik v1.2 - Kurt, 14.10.2011, 13:16
- der Debitismus kann die Welt retten, wenn kein Retter mehr in Sicht ist -
Onkel Otto,
06.09.2011, 09:17
- Wat mi nich in den Kopp geiht... -
RogRog,
07.09.2011, 00:37
- wo ist das Geldloch? -
Onkel Otto,
08.09.2011, 11:20
- Musst mich noch ein büschen genauer aufklären! -
RogRog,
08.09.2011, 23:41
- ich versuchs... - Onkel Otto, 09.09.2011, 17:57
- Daten - Thor, 14.09.2011, 07:20
- Musst mich noch ein büschen genauer aufklären! -
RogRog,
08.09.2011, 23:41
- wo ist das Geldloch? -
Onkel Otto,
08.09.2011, 11:20
- Wat mi nich in den Kopp geiht... -
RogRog,
07.09.2011, 00:37
- Beitragslöschung von Lex Mercatoria -
paranoia,
05.09.2011, 00:26