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Dazu:

dottore @, Montag, 04.05.2009, 08:58 (vor 6065 Tagen) @ moneymind

Hi moneymind,

interessantes Kontra, Danke.

1. "(Jeder Staat ist) seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach
auf seinen ersten Daseinsstufen fast ganz eine gesellschaftliche
Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer
besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke,

die

Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere
Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft

hatte

keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der

Besiegten

durch die Sieger. Kein primitiver »Staat« der Weltgeschichte ist

anders

entstanden...[/b]".


Bloßes Postulat.

Welcher Staat ist anders entstanden? Ich suche ja gern nach Gegenbeispielen und wäre für Hinweise dankbar.

"Mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft zu regeln" - lol.

Nich "die" Herrschaft, sondern die der einen über die anderen. Das ist ein Organisationsproblem.

Wozu denn
bitte, und wozu lassen die "Herrscher" mit Riesenaufwan sakrale Gebäude
wie Tempel und Pyramiden bauen

Keinewegs alle. Den Aufwand betrieben die Oberhunde nicht selbst, sondern ließen die Arbeiten durch die Unterworfenen ausführen. Keine Mega-Bauten: Germanen, Normannen, Inka, Benin, Mongolen, Mandschu, Maori, amerikanische Siedler, die imperialen Reiche des 19. Jh., usw.

und führen aufwendige Rituale durch, wenn
sich die Herrschaftssicherung doch viel einfacher nur durch "die Waffe"
durchsetzen ließe?

Die Waffe blieb monopolisiert im Palastzentrum, das lag vom Tempelbezirk getrennt. Siehe Megiddo, Hatuscha usw.

Warum lassen die Beherrschten sich die "Ausbeutung"
und "Unterdrückung" ("Herrschaft") nicht nur einfach gefallen, sondern
verehren den jeweiligen König in aller Regel abgöttisch

Siehe Ankunft der Spanier in Amerika. Außerdem ist der König nicht identisch mit dem jeweiligen Chef der Priesterschaft. Im Osten existieren bis zu 600.000 "Gottheiten" (Indien).

und entmachten
ihn bestenfalls in historischen Sondersituationen per Revolution?

Oder rücken ab (Juden ex Ägypten).

Also, ich meine: wenn man "Herrschaft" aus dem "Zweck, Herrschaft zu
regeln" erklärt, erklärt man Herrschaft mit Herrschaft.

Zwei Formen der Herrschaft: a) über den unterworfenen Stamm, b) intern innerhalb der Eroberer. England dafür klassisch. Angelsachsen vs. Normannen.

Netter Zirkel,
erklärt aber nichts. Schöne Scheinerklärung allemal, mit der sich so
manch einer narren läßt.

Sehe darin keinen Zirkel, sondern die immer wieder belegbare Entwicklung.

Ob man mit solche dogmatischen Definitionen, die die eigene Hypothese für
etwas bisher unverstandenes als Faktum ausgeben, wirklich weiterkommt? Ich
meine nein, so bremst man den Prozess eher.

Was ist an der Entstehung von Herrschaft (im Sinne von Unterwerfung)unverständlich?

2. „Jeder Staat der Vergangenheit und Geschichte, dem dieser Name
unbestritten zukommt, jeder Staat vor allem, der in seiner Entwicklung

zu

höheren Stufen der Macht, der Größe und des Reichtums

weltgeschichtlich

bedeutsam geworden ist, war oder ist ein Klassenstaat, d. h. eine
Hierarchie von einander über- und untergeordneten Schichten oder

Klassen

mit verschiedenem Recht und verschiedenem Einkommen."
[/b]


Ja, dafür müßte mir erst noch jemand ein Gegenbeispiel bringen (ich
kenne keins).

Gegenbeispiele u.a.: Griechenland (Sparta / Messener / Heloten; attische Oberschicht / Metöken). Etrusker / Rom. Normannen / England, Sizilien.

3. „Der unversöhnliche Zwiespalt der Theorien vom Staate erklären

sich

daraus, dass keine von ihnen vom soziologischen Gesichtspunkte aus
entstanden ist.


Vielleicht. Vielleicht ja auch, weil da Interessen im Spiel sind.

Sind immer im Spiel. Die alte Geschichte: Andere für sich arbeiten zu lassen = produktiver als es selbst zu tun, z.B. spätere römische Oberschicht (Latifundien haben sie nicht selbst bearbeiten).

Der Staat ist ein universalgeschichtliches Objekt und
kann nur durch breit spannende universalgeschichtliche Betrachtung in
seinem Wesen erkannt werden.


Ja.

Diesen Weg (...) hat bisher, außer der
soziologischen, keine Staatstheorie beschritten. Sie alle sind als
Klassentheorien entstanden“ (Gesammelte Schriften, Bd.2, S.312).

4. „Man kann den Staat auffassen als eine ökonomische

Kollektivperson

der herrschenden Klasse, die sich die Arbeitskraft der Untertanen als
»Wertding« beschafft hat“ (Oppenheimer, Das Kapital, S.84).

Kann man schon, nur ist das eine Perspektive, die schon von einer
ökonomistischen / historisch-materialistischen Perspektive voreingenommen
ist und anderes (Religion) damit ausblendet.

Religion = materialistisch, siehe Opfer, Tempelabgaben (Jerusalem), usw. Hat damit zu tun, daß die Priesterschaft auch nicht selbst tätig ist, sondern ausgehalten wurde.

Perspektive die aufklärerische Religionskritik für bare Münze genommen
hat und nicht - wie wir es heute aus der historischen Distanz in der
Endphase der modernen europ. bürg. Gesellschaft heraus können - als
historisch funktionale Ideologie sieht.

5. „Die »Ursprungsnorm« dieser Verfassung lautet: Ihr sollt uns
unentgolten steuern; zu dem Zwecke habt ihr zu gehorchen, wenn wir
befehlen, sonst trifft euch die Sanktion, die uns beliebt
“
(Oppenheimer, System der Soziologie, Bd. II, S.308).

Siehe oben - wieso sollten die Unterdrückten sich das nicht nur gefallen
lassen, sondern den "Herrscher" dafür sogar vergotten/verehren (auch in
der deutschen Geschichte ja zuletzt im Nationalsozialismus ganz gut zu
beobachten)?

Stalin? Roosevelt? Churchill?

Die Geschichte gerade Nordeuropas scheint ihm Recht zu geben (die
Oppenheimer nur kursorisch geläufig war).

Bestätigen kann man Dogmen aus der Geschichte immer.

Klar, deshalb müssen sie nicht falsch sein.

Wer wirklich
forscht, sucht nicht nach Bestätigungen, sondern nach Gegenbeispielen zu
seiner These. Nur so kommt man weiter.

Dann hätte ich gern die Gegenbeispiele (außer den oben genannten).

Dank + Gruß!

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